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Dienstag, 15. Dezember 2015

Lesefunde 15.12.2015


Dienstag, 24. November 2015

Ein gelöschter Kommentar auf welt.de

Terrorismus ist ein Thema, daß mich schon lange interessiert, da die RAF gewissermaßen zu meinen Jugenderinnerungen gehört. Sehr gelungen fand ich den Kommentar des Ethnologen Thomas Hauschild in der Welt, der die Ereignisse in Paris vor dem Hintergrund seiner eigenen Radikalisierung in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts beschreibt. Geärgert habe ich mich über einige Kommentare, die darauf hinwiesen, die Linksterroristen hätten keine wahllosen Massenmorde begangen wie ihre islamistischen Pendants. Das ist nämlich nicht richtig. Sie haben es sehr wohl versucht; es ist ihnen nur nicht gelungen. Ich habe deswegen folgenden Kommentar geschreiben:
Sie willigten nach einigem Zögern ein, ein voll besetztes Passagierflugzeug in Mogadischu zu sprengen. Schon vergessen? Und an der Flugzeugentführung nach Entebbe waren deutsche Täter sogar direkt beteiligt. In beiden Fällen war es nicht den Terroristen, sondern allein den Einsatzkräften zu verdanken, daß ein Massenmord verhindert wurde.
Überraschenderweise fiel er der Moderation zum Opfer. Er ist zwar verkürzt formuliert, aber sachlich richtig, wenn man annimmt, daß die mit den Flugzeugentführungen ausgesprochenen Drohungen auch ernst gemeint waren. Die Entführung der Landshut durch palästinensische Terroristen war von den Schleyer-Entführern in Auftrag gegeben worden. Die Hijacker hatten die Sprengung eingeleitet und die Geiseln mit Alkohol übergossen, damit sie besser brennen, als man zum Schein auf ihre Forderungen einging, um Zeit für die Erstürmung zu gewinnen, die dann glücklicherweise ohne tote Geiseln gelang. Auch der Hinweis auf die Entführung eines französischen Passagierflugzeuges nach Entebbe (Uganda) unter Mithilfe zweier deutscher Terroristen der Revolutionären Zellen ist korrekt. Hier wurde Schlimmeres durch eine israelische Kommandoaktion verhindert.

Ich vermute, die Löschung hat schlicht mit historischer Unkenntnis zu tun. Daß das Springerblatt Welt jetzt auch linksgrün versifft sei, überlasse ich gerne den Verschwörungstheoretikern. Da der Moderationsjob sicherlich nicht zu den Spitzenpositionen gehört, wird er wohl von jüngeren, unterrangigen Personen wahrgenommen. Diese schreiben die Flugzeugentführungen dann wohl allein den Palästinensern zu. Darin liegt natürlich auch ein gutes Stück unterschwelliger Rassismus, der das Deutschtum selbst in seiner terroristischen Variante noch für moralisch sauberer hält als eine nahöstliche Sozialisation.

Samstag, 27. Juni 2015

Kaisergeburtstag in Deutschland aus Sicht eines (fiktiven) Afrikaners

Mukama, du Schlanker, wärmendes Licht!

Du bist der größte der Könige. Aber auch der König der Wasungu ist stolz und mächtig. Unzählbar sind seine Krieger, blinkend ihre Waffen; groß ist ihr Mut. Sie lieben ihren König und ehren ihn, weil er edel gesinnt ist seinem Volke. Dein Knecht Lukanga kann dir Großes und Schönes berichten, wie tausend junge Männer in Kraft und Schönheit dahergehen und Waffen zu tragen wissen. Das eine aber sähe sein Auge, auch wenn es trübe wäre, und seine Sinne wüßten es, auch wenn Staub auf ihnen läge: die Wasungu ehren ihren König auf ihre Weise, die Wakintu dich auf andere Weise.

So mächtig auch der König der Wasungu ist, die niedrigen Gebräuche seines Volkes vermag er nicht zu hindern. Und wisse: Die Wakintu feiern den Tag deiner Geburt durch Fasten; die Wasungu den Geburtstag ihres Königs, indem sie viel in ihren Bauch hineintun.

Dein Volk macht sich reiner und stärker aus Freude, daß du lebst; die Wasungu dagegen versuchen, die Rohheit ihrer Sitten zu Ehren ihres Königs bis zum Äußersten zu steigern. Sie verstehen es nicht, wenn er sagt: "Enthaltet euch vom Hineingießen, das euch unfähig macht, dem Vaterlande zu dienen." Den Wakintu befiehlt es der Brauch, der ewig bestand, daß in den Tagen, die dir gehören, jeder auf seinem Berge weilen muß, solange die Sonne über dem Himmel kreist, und nur nachts darf er schweigend die eigene Hütte aufsuchen; die Wasungu kommen zum Ehrenfest ihres Königs in geschlossenen Räumen zusammen, und was sie darin tun, will ich dir schildern, weil ich es sah.

Es ist ein einziger Tag, den sie dem König opfern. Da gehen sie dann hin und treffen sich mit anderen, um Speisen und Flüssigkeiten in ihren Leib hineinzutun. Sie sitzen an diesem Tage an langen Tischen und schlucken so, wie ich es die im letzten Briefe beschrieb. Auch gießen sie viele Flüssigkeit in ihren Magen und trinken wie Menschen, welche einen weiten Weg im Sonnenbrand gegangen sind und Durst haben. Es gilt eines Mannnnes unwürdig, Flüssigkeit in einzelnen Schlucken zu nehmen und mit Speichel zu vermengen, und je mehr einer gleichmäßig und ohne zu unterprechen hinunterschluckt, desto höher steht er in der Achtung der anderen.

Was sie trinken ist Pombe, ein Rauschgetränk von verschiedener Farbe. Es ist nicht erlaubt, Saft zu trinken, der frei ist von Rauschgeist, ja es ist Pflicht eines jeden, möglichst viel Rauschgift zu trinken, und wer an diesem Tage seines Verstandes mächtig bleibt, gilt als einer, der treulos dem Könige die Achtung versagt, die ihm gebührt. So sehr mißverstehen sie ihren König, daß sie ihn, der Enthaltung vom Rauschgift fordert, durch Hineingießen ehren wollen.

Das Getränk ist so wichtig, daß an diesem Tage von nichts anderem gesprochen werden darf, als von der Art, Farbe, Menge Wärme des Getränks, von der Art, wie man es hineingießt und wie man es wieder von sich gibt. Nur einmal darf vom König gesprochen werden, da steht der dickste Mann auf, nennt den Namen des Königs, und alle rufen: "Ra! Ra! Ra!" Dabei stehen sie und halten ein Gefäß mit Pombe zwischen die beiden Brustwarzen, und wenn das letzte "Ra" gerufen ist, gießen sie den ganzen Inhalt des Gefäßes in ihre Halsöffnung, atmen tief aus und setzen sich wieder hin.

Danach sind alle ruhig, bis die Gefäße wieder vollgegossen sind, und dann sprechen sie wieder von der Art, Farbe, Menge und Wärme des Getränks, und wie man es hineingießt.

Besonders zeichnen sich dabei Männer aus, die einmal an einem Flusse gewöhnt haben, der Mosel heißt. Diese dürfen nur aus besonders geformten Gefäßen trinken und müssen, bevor sie hineingießen, das Trinkgefäß erst dreimal vor dem Munde kreisend umherbewegen. Sie dürfen dabei nicht lachen, sondern müssen sehr ernst aussehen. Sie genießen bei den Drinkern das größte Ansehen und bemühen sich durch blaue Adern auf der Nase und durch harte Adern, die wie Würmer an den Schläfen hervortreten, jedem kenntlich zu sein. ...
aus: Hans Paasche : Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland (/)
(Zur Lektüre durchaus empfohlen)